Kunstkatalog Stefanie Brehm
58 Mit dem Material Glas planen Sie eine Weiterentwicklung Ihrer Arbeit. Woher kam der Impuls zu diesem Werkstoff? Glas und Keramik hängen von vornherein eng miteinander zusammen, da die Glasur nichts anderes ist als Glas. Ich finde es spannend, die Außenhaut der Keramik mal abzulösen und für sich stehen zu lassen. Und auch die Polyurethane haben ein bisschen den Anschein von Glas. Oft halten Betrachter den Kunststoff fälschlicherweise für Glas. Das alleine hat mich schon dazu gebracht darüber nachzudenken mit dem Material zu arbeiten. Allerdings soll das Glas kein Ersatz für die Polyurethane sein, sondern ein Ausbau meiner Werkstoffe. Ich kann mir ohnehin gut vorstellen, die Material-Palette in Zukunft zu erweitern, da bin ich ganz offen. Worauf ich stets den Fokus lege, sind Formen und Farben, die den Werkstoff individuell durchdringen. Farben spielen eine „Hauptrolle“ in Ihrer Arbeit, wie Sie selber sagen. Nehmen diese eine bestimmte Rolle ein, sind sie ausperfektioniert, ein Zufallsprodukt oder reine Intuition? Ich sehe Farben als Partikel, die etwas transportieren und eine eigene Schwingung besit- zen, daher arbeite ich sehr intuitiv mit ihnen. Wenn ich mich einer Säule widme, versuche ich erst einmal zu spüren, wie hoch diese ist und wie sie sich anfühlt, vor allem was ihr Volumen betrifft. Dann versuche ich herauszufinden, welche Farbigkeit sie haben will – etwas Kleinteiliges oder doch etwas Großflächiges. So gehe ich meistens erstmal an den Prozess heran. Dann erst entscheide ich mich für ein konkretes Farbzusammenspiel, das ich für die Säule oder das nächste Polystück passend finde. Wie und in welchen Mengen ich die Farben dann verteile oder mit welcher Bewegung ich beim Farbauftrag vorgehe, erfolgt immer in kleinen Schritten. Ich nehme die Farbe und überlege mir, wie weit sie sich erstrecken oder wie groß der Schwung ausfallen soll und dann passiert es einfach. Nun birgt der Einsatz von Farbe auch ein gewisses Risiko. Wie viele Versuche hat man beim Auftragen? Es gibt diese One-Shot-Momente, bis zu einem gewissen Grad kann man aber immer noch reagieren. Ich kann nicht hundert Lagen übereinander sprühen, dann würde die Glasur einfach ablaufen, aber gewisse Vorgänge kann ich auch wieder eindämmen. Wenn ich merke, dass ich einen Punkt überschritten habe, dann wird unmittelbar darauf reagiert. Und so funktioniert eigentlich dieses Spiel, bis ich das Gefühl habe, jetzt ist die Sache rund. Aktuell entsteht der Eindruck, dass Künstler*innen ihre Werke zwanghaft mit poli- tischen Botschaften aufzuladen versuchen. Sie scheinen sich gänzlich frei davon zu machen. Wie lässt sich Ihr Werk inhaltlich einordnen? Ich bleibe in meiner Arbeit bewusst deutungsoffen. Das heißt aber nicht, dass ich ein unpolitischer Mensch bin, im Gegenteil. Ich setze mich sehr intensiv damit auseinander, was in der Welt passiert, spüre aber nicht den Drang, das Geschehene in irgendeiner Weise plakativ zu transportieren. Ich setze darauf, dass der Betrachter etwas von mir spürt, indem er meine Werke anschaut. Natürlich kann er nicht ablesen, was ich über dieses oder jenes Ereignis denke, aber vielleicht erkennt er eine gewisse Grundstimmung oder eine Haltung, die ich zum Ausdruck bringen möchte. Ich will nicht krampfhaft von außen etwas hineininterpretieren, ich bin eine Künstlerin, die mit ihrer Innenschau I nterview Stefanie Brehm „Ich bin eine Künstlerin, die mit ihrer Innenschau arbeitet“ von Katja Andreae
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